Dienstag, 9. Juni 2020

Der tiefste Punkt des Fernsehens ist mehr als erreicht

Trash-TV ist schwer angesagt diese Tage. Auf jeden Fall kommt es einem so vor. Ein Knaller jagt den nächsten - eine Folge von "Promis unter Palmen" war selbst dem Sender SAT1 zu heftig, woraufhin man diese aus der Mediathek nahm. Internet-TV-Anbieter Joyn ließ die freilich drauf, insofern ist der damalige Shitsorm, auf den SAT1 reagierte ad absurdum geführt, vor allem weil ja Joyn nichts anderes ist als eine Tochter von SAT1/PRO7. Anstand? Nö, danke. Doch diese Sendung, bei der sich Z-Prominente lächerlich machen durften und dessen Gewinner wegen sexistischer Aussagen aus der Wiedersehensshow vom Sender ausgeladen wurde, war nur ein Vorgeschmack.

Senderkollege PRO7 packt, immer noch in der Post-Stefan-Raab-Starre befindlich, älteste Formate wieder aus. In "Balls" stellt man Kandidaten die Frage,was sie alles machen würden, wenn sie dafür Geld bekämen. Egal, wie auch immer die Aufgabe - mindestens einer, meistens mehere, finden sich immer. Ein Ei mit Schale essen, dabei ein Hühnchenkostüm tragen und von einem dicken, als Hahn verkleideten Mann angedeutet penetriert zu werden - klar doch! Dreck und Hundehaare vom Boden lecken - bin dabei!
Das ist alles so unglaublich veraltet und hat, zum Glück, hierzulande nie Fuss fassen können. Verona F.s Brust wurde einstmals gewogen, Passanten zum Ablecken eines Rolltreppenbandes für Geld animiert. Gott sei es gedankt, dass solcher Schwachfug auch vor 20 Jahren mit Pauken und Trompeten beim Publikum durchgerasselt ist. Hypnoseshows haben selten einige Folgen überlebt und weiteres, das zu Recht ungenannt bleiben soll, aber in eine ähnliche Kategorie fällt, überlebte ebenfalls nicht lange.
Insofern wundert man sich, dass 2020 solcher Schwachfug wieder aus der Mottenkiste ausgepackt wird und mit billigsten Mitteln auf Zuscherfang gegangen wird, obwohl man wissen sollte, dass das schon früher nicht funktioniert hat. Naja, vielleicht ist die Zeit ja jetzt reif, mag sich da der ein oder andere in der Fremdschäm-Redaktion gedacht haben. Nö, isses nicht - und am meisten stellt sich der Sender blos, der solchen Doofsinn initiiert. Auch wenn Kandidaten mit Gülle gefüllte Stiefel tragen, während sie in einem Schubkarren voll Kuhfutter sitzen und von besagter Kuh abgeschleckt werden, so fällt das meiste auf die Show zurück, denn dem aufmerksamen Beobachter entgeht nicht, dass hier Woche für Woche anscheinend die selben 50 Kandidaten sitzen, was bedeutet, dass der Schmonzens am Stück runtergekurbelt und derart billig produziert wurde, dass die Assistenten des erschreckend witzlosen Animateurs, den man angeheuert hatte,um den ganzen Müll zu moderieren, nicht mal Zeit hatte, sich von der einen zur anderen Folge umzuziehen. Billigstes Fernsehen also für die zu erwartenden billigsten Zuschauer - das geht meist wirklich nicht gut.

Und damit Senderschwester SAT1 dem allem nicht nachsteht, startet hier das neue alte Format "Beauty & the Nerd", bei dem möglichst intelligenzresistente "Schönheiten" auf möglichst doof aussehende "Nerds" treffen. Dass wirklich gar niemand mehr bei dem Trash mitmachen möchte, zeigt sich vor allem daran, dass die "Nerds" nun nicht mehr Programmierer oder Physiker sind, sondern Lageristen oder Konditoreifachangestellte. Wow - nicht mal mehr einen Teil des Titels kann der Sender erfüllen. Das nerdigste ist dann auch, dass die Jungs doofe Klamotten tragen und Computerspiele machen. Hallo SAT1, es ist 2020! ALLE, und damit meine ich restlos ALLE, spielen Computerspiele. Okay, die wahrscheinlich total verschnarchte Redaktion des Doofheitsformates hält das bestimmt für supernerdig und toal ausgefallen, also lachen wir sie gerne weiter aus. Wie immer ist der Rest schon vorprogrammiert: die "Schönheiten" werden am Ende immer noch intelligenzresistent sein, das irgendwann erfolgende Neustyling der "Nerds" erlaubt diesen dann das erste Mal, normale Klamotten zu tragen und wird die Damen die Kinnladen runter klappen lassen, was am Ende dazu führt, dass die Herren gut aussehen, aber die Damen immer noch kein Quentchen schlauer geworden sind. Kann man sich also getrost sparen die ganze Gurkenshow.

Wenden wir uns also zu den wichtigen Fragen:
Wann wird die Sendergruppe ihr eigenes Profil wiederfinden? Wird sie auf dem Weg dahin noch mehr Schnarchformate aus der Altmüllablage auspacken? Wird "The Masked Singer" deswegen irgendwann drei- und nicht nur viel zu viele zweimal pro Jahr laufen? So viele spannende Fragen, dass man die Anwort kaum noch erwarten kann.
Ich kann sie auf jeden Fall nicht erwarten.
Weil sie mich nicht interessiert.


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