Freitag, 10. April 2020

Karfreitag und das Eierschälen - ein Tag des Wahnsinns beim Verkaufsfernsehen


“Ofen, Grill und Friteuse in einem!“
Ja, das Verkaufsfernsehen schlägt mal wieder zu, auch am Karfreitag.
Da ja heute, nicht wie sonst üblich, sich niemand beschweren kann, dass er jetzt gerade unbedingt in die Disco gehen will oder “Life of Brian“ ansehen muss (dazu steht ja alles auch schon im Blogartikel vom Karfreitag 2019), bleibt für viele nur übrig, sich mit anderem zu beschäftigen. Und die Verkaufssender sind wieder einmal eines davon, bieten sie doch viele nützliche Produkte zum vermeintlich kleinen Preis, die zudem kontaktfrei!! geliefert werden. Darunter befindet sich auch dieses Wundergerät, worin man unter anderem so etwas phantastisches wie “Gemüse drin machen kann, wie z.B. Pommes oder Chicken Wings.“ Hier, so ist klar erkennbar, spricht nicht nur der Koch, sondern auch der Gourmet und Gesundheitsfanatiker. Endlich Gemüse wie bei Mama – egal, ob Pommes, Chicken Wings, Pizza Hawaii oder Fischstäbchen. Lecker!
Aber es geht noch besser, denn “ein echter Ofen nimmt Kilowatt... da dürfen sie gar nicht dran!
Der hier nimmt so viel wie mein Haarföhn.“ Endlich ein Lichtblick! Fundiertes Elektrikwissen! Dass der handelsübliche Haarföhn ebenfalls mindestens eine Leistung von 2000 Watt, also 2 kW hat, wird hier wohl eher nicht verschwiegen, sondern ist dem Meisterverkäufer wahrscheinlich selbst nicht bewusst.

Danach macht die neue Wunderwaffe für das Eierschälen nicht gerade das was sie soll, sondern eher was sie will, beziehungsweise, das was sie nur kann, denn was sie machen soll, das würde sie nie machen, selbst wenn man das will. Also mal zum Mitschreiben, damit man überhaupt versteht, dass sich das Prinzip schon auf dem Papier doof anhört: In ein quasi eierförmiges Plastikgefäß mit der Größe von zwei aufeinander gesetzten Eierkochern, werden hart gekochte Eier gegeben. Dazu etwas Wasser. Der Grund dafür ist klar, denn “mit Ihren dreckigen Händen schälen sie sonst die Eier! Und das will ja auch nicht jeder!“ Na, ich weiß ja nicht, ob jeder, der gerade vom Kanalreinigen von draussen reinkommt, nichts anderes zu tun hat, als sich sofort ans Eierschälen für Ostern zu machen. Meist kocht man die Dinger ja und schält sie dann danach und putzt nicht obendrein zwischendrin die Toilette. Die Handhygiene spielt also kaum eine Rolle, aber, das ist ja eine Strategie des Verkaufsfernsehens, nämlich dass man eine Not kreiert, wo gar keine existiert. Und dafür eine möglichst umständliche und schwachsinnige Lösung anbietet, die vor allem Geld kostet.

Wenn man also das Plastikgefäß mit den gekochten Eiern und dem Wasserboden befüllt hat, dann schüttelt man die Eier in dem Ding, also quasi der Eierschalenmühle und… es ist geradezu herzergreifend einfältig, dem im Fernsehen zuzusehen, denn selbst ein 3-jähriger mit gepolsterten Handschuhen weiß: das kann nix werden. Die Eier gehen beim Schütteln sofort kaputt und vermischen sich im schlechtesten Fall noch mit dem Rest, d.h. es bleibt eine wässrige Eierbrühe übrig – und bestimmt kein schön geschältes, zartes Osterei. Und im besten Fall ist das Ding halt zerdatscht und nass. Und – soviel sei den Machern auch an Würde gelassen, genau das passiert dann auch und genau das wird so gezeigt. Man hat geradezu Mitleid, wenn man den Schüttler in Aktion sieht, der dann, oh Wunder, feststellen muss, dass er ja “anscheinend zu fest geschüttelt hat“, wenn von vier Eiern eines komplett zu Schaden kommt und der Rest dann maximal als Eiersalat dienen könnte. Dass der Chefmoderator nebenbei herzlich lacht, macht die Nummer aber unglaublich sympathisch, denn hier sieht sogar der Verkaufsprofi – ne, das wird nichts werden, mein Bester und verleiht dem Kollegen quasi virtuell einen Orden für das Verkaufstalent Nummer 1 im Jahre 2020!

Bei den Kollegen vom anderen Kanal wird dann eines dieser wahnsinnig tollen Dinge verkauft, die in der Show “Die Höhle des Löwen“ präsentiert werden und von denen man dann nie wieder etwas hört. Hier ist es ein Knoblauchölspray das gegen "Knoblauch an den Fingern" hilft. Also diesem Unding an Geruchsbelästigung, gegen das auch tagelanges Händewaschen oder dem Baden in Seifenlauge anscheinend nichts hilft. Außerdem ist dort, nach Aussage des Erfinder auch “keine Knoblauchfahne darin enthalten“. Puuh, Glück gehabt… Doch, oh je, es gibt nur noch "Restbestände" dieses Wundermittels! Was für eine tolle Show, die solch Helfer der Menschheit zu uns bringt.

“Ich finde 50 Liter Desinfektionsschutz sind das schönste Geschenk!“ Ja, das werde ich meinen Kindern auch an Weihnachten sagen und auf den Verkäufer verweisen, der dies so angepriesen hat. 250ml Konzentrat, aus denen man 50 Liter machen kann. Und “heute mache ich einen Abverkauf!“ Ja, das ist neben “Restbestände“ das zweitliebste Wort im Verkaufsfernsehen. Leider hat sich mir dessen Inhalt noch nie vermittelt. Ein Abverkauf? Ja, was sonst? Werden die zwei Kilo Schweineschnitzel mit Klösen sonst verliehen? Das scheint eine Unsitte von Verkäufern zu sein, die Welt mit seltsamen Namen zu quälen. In Medienfachmärkten gibt es hin und wieder auch Schilder, die z.B. Filme zum “Mitnahmepreis“ anbieten. Als ob man sonst das Gekaufte im Markt läßt.
“Ah, Familie, ich habe heute einen Film gekauft!“ – “Ja, was denn?“ – “Den neuen Star Wars-Streifen“ – “Oh, und wo ist der?“ – “Den habe ich im Markt gelassen, war leider kein Mitnahmepreis“ – “Puuh, Glück gehabt!“, könnte so ein Dialog lauten, den sich der ein oder andere eventuell vorstellen mag, der dieses Wort benutzt. Natürlich muss keiner ein neuer Goethe sein, aber solche Begrifflichkeiten sind doch wirklich nur für das alte Kopf-Tischplatte-Spiel zu gebrauchen.

Die 250mL Desinfektionsmittel hätte man sich gesichert, da diese sonst für 200 oder 400 Euro auf dem Markt verkauft worden wären. Danke, hört man schon die Menschen sagen. Danke dass wir nicht auf solche Wucherer reinfallen müssen, die ein Produkt aufgrund von Notlagen oder gerade nochmals geschürten Ängsten einfach zu teuer verkaufen.
“Vielleicht haben sie einen Kindergarten, KiTa, Hort?“ Naja, ich weiss nicht, welcher Privatmensch solch eine Institution bei sich zu Hause hat, aber nun gut, Not macht ja bekanntlich erfinderisch und so sei auch ein solches Argument gekönnt. Doch dann kommt der größte Fehler der Welt: “Schauen Sie doch im Internet, was 50 Liter kosten!“
Kein kluger Ansatz, Herr Verkäufer. Denn ich schaue nicht, was 50 Liter kosten, sondern was die 250mL Konzentrat kosten. Von der gleichen Marke. Die selbe Flasche, die da gerade angeboten wird. Sie kostet, je nach Anbieter, zwischen 15 und 20 Euro. Lieferbar sofort.
“Ich mache euch heute einen Abverkauf!“ – Die mystischen Worte. Nicht für 86 Euro! Klar, das Ding kostet ja nur 20 überall maximal. Nicht für 49! Nö, bestimmt nicht. Sondern für 43!!

Danke liebes Verkaufsfernsehen, dass ihr uns vor Leuten beschützt, die das Unwissen und die Ängste anderer ausnutzen, um viel zu viel Geld für ein Produkt zu kassieren, das man anderswo billiger bekommen würde.