Dienstag, 3. Oktober 2017

Die Mücke und der Elefant 


Man kann aus keiner Mücke einen Elefanten machen. Sagt man.
VOX kann das. Und zwar mit dem neuen Dokutainment-Format "Das Vorstellungsgespräch". Der Titel allein klingt schon so langweilig und hilflos, dass man keine Erwartungen und diese Bombenidee hat - oder besser gesagt, graust es einem eher vor der Tatsache, dass jemand tatsächlich aus einem Bewerbungsgespräch eine TV-Show machen könnte.

Doch, so will es der gnadenlose Fernsehgott, genau das gibt es und zwar anscheinend Dienstag Abends, wenn knallharte Gespräche über die Top-Posten einen vor den Fernseher bannen sollen. Im Fahrwasser von "Die Höhle der Löwen", bei dem Startups sich vorstellen, sind es hier Jobsuchende - die einen Job suchen. Das klingt erstmal noch nicht soo interessant, aber meist gibt es ja dann den Hammer-Ober-Hyper-Job, um den man miteinander buhlt. Genau wie hier. Fast zumindest. Den einer dieser Über-Jobs ist Zusteller bei einem großen Transportunternehmen. So, den lass ich jetzt erstmal sacken...

Also nichts gegen den Job, gegen Zusteller oder Transportunternehmer. Definitiv nicht, aber so extrem spannend ist das nun wirklich nicht. Und auch für das "Gespräch" die Vokabel "gestellt" zu benutzen, leicht untertrieben. In eine tollen Kölner Hochhauswohnung mit Blick auf den Dom, in die sich das TV-Format eingemietet haben, werden die Kandidaten wie auch potentiellen Arbeitgeber gekarrt, wo sie solch sinnfreie Fragen wie:" Was glauben Sie, wie viel sie Fahren werden?" stellen. Letztlich wird spätestens hier klar: Das ist Entertainment der einfachsten Sorte, schnell und leicht produziert, ohne Tiefe, ohne Sinn, ohne Ansprach echt zu sein oder Realität abzubilden. Wenn es nun zumindest unterhaltsam wäre, dann wäre das auch okay. Ist es, wie die Glanzlichter oben zeigen, aber leider nicht und so darf man Leuten beim Malen potentieller Fahrtstrecken einer Zustellung oder anderer selbstgebastelter Eignungstests um den heissesten aller Jobs zusehen.

Oder auch nicht, denn es gibt noch ein zweites Vorstellungsgespräch, bei der eine Fitnessstudiokette einen Eventmanager sucht, wobei das selbe noch einmal von vorne beginnt. Und das ist im Doppelpack dann einfach zu viel des Guten oder eben doppelt so schnarchig, so dass Gespräche der Vorzimmerdamen noch als Pausenfüller dienen müssen.

Dass Jobs angeboten werden und unter Bewerbern ausgewählt werden muss, ist etwas, das notwendig und gut ist, aber das Ganze mit der Kamera zu verfolgen ist so unterhaltsam wie die Zeitlupenaufnahmen der letztjährigen Anfertigung meiner Steuerunterlagen. Da muss ich sagen, unterhält mich eine Runde Verkaufsfernsehen von flammenlosen Wachskerzen mit LED-Lichtern mehr.

Sonntag, 19. Februar 2017

Das Haxenfeuerwerk der Stunde - ein Tag im Leben eines Shoppingkanals



Wenn man abends zu lange auf ist, dann bleibt es nicht aus, dass man wohl oder übel irgendwann auf die zahlreichen Shoppingkanäle im Fernsehen stößt. Hier wir in der Regel all das zu einem unglaublichen Sonderpreis und “nur heute“ angepriesen, was es überall anders ohnehin immer zu dem gleichen Preis gibt. 

Darunter fallen große Küchenmixer, die im Fantasieland der Redaktion geschlagene 590,- Euro kosten würden, jetzt aber nur noch unglaubliche 250,- Euro. Der Preis fällt dabei mit fortlaufender Zeit, aber die Anzahl der noch vorhandenen Geräte auch – man muss also besser zuschlagen, um noch so ein Schnäppchen zu bekommen. Am Ende zahlen alle den finalen geringsten Preis, der da bei 200,- Euro lag, aber wer weiss schon vorher, ob nicht in Sekunden alles ausverkauft ist…
Dass ich die gleichen Geräte in einem Testbericht für “Küchenmixer unter 200,- Euro“ gefunden habe, mag nur ein Beispiel sein, dass einem aber auch wirklich gar nichts geschenkt wird. Nunja, alle sind zufrieden, denn man hat ja die psychologische Wirkung, etwas potentiell tolles potentiell günstiger bekommen zu haben und der Sender hat die Billigware draussen.  

Genauso bei der tollen “handgefertigten, hochwertigen“ Uhr aus Sachsen, die letztlich eigentlich nur in China zusammengebaut wird und bei der jeder der Preise genannten Preise eine kreative Schöpfung der Moderatoren ist: “Warum ruft denn keiner an? Meine Damen und Herren, wenn ich die Uhr zum Juwelier bringe, der nimmt das mit Kusshand für den Preis – und jetzt sind wir schon 30 Euro drunter, da verdienen wir nichts mehr daran, wir machen das alles nur für sie!“
Doch das wird alles getoppt von einer unscheinbar anmutenden Kochshow, bei der fertig gekochter Braten mit Soße erstanden werden kann. Die folgenden Passagen sind alle so 1:1 in nur einer Sendung gefallen – und diese Originalzitate voll kreativem Wahnsinn möchte ich niemandem vorenthalten.

Ich hab zwar nicht gewusst, dass das geht, aber Fleisch mit Soße in der Tüte ist ein Highlight im Leben eines Schweins, denn so durfte ich erfahren, “Heute ist der einzige Auftritt der Wildschweinfilets in Maronensoße“. Scheinwerfer an, es ist also kein Wunder, dass sich jedes Wildschwein um so einen Auftritt reißt und freiwillig zum Casting geht. Aber nicht nur das gibt es, denn zum Glück wird auch manchmal “das Haxenfeuerwerk der Stunde“ eingeleitet – und man hört schon die imaginären Knaller zünden.
“Liebe Kunden“, beschwört die Moderation dann voller Nächstenliebe, “ich würde mir jetzt so wünschen, dass sich hier alle einwählen. 1, 2, 3 – los!“ – Na da kann man nichts anderes tun, als zum Hörer greifen und bestellen, denn schließlich gibt es nur Köstlichkeiten, denn “das ist das Beste, was man rausschneiden kann aus dem Tier“. Na da bin ich aber beruhigt, selbst wenn ich es nicht selbst rausschneiden darf – und genauso, dass es “sehr viele Wertinhaltsstoffe besitzt“. Nicht auszudenken, wenn es unwertige Wertinhaltsstoffe gewesen wären. Das kann aber nicht sein, schließlich wird mir versichert: “Sie können sich auf die100 prozentige prozentuale Richtigkeit verlassen, dass das frisch geschossen ist“ – Gott sei Dank, wird das auch mal 100 prozentig richtig gestellt! Bei dem Zeugs aus dem Schlachthof weiss man auch nie, ob es 100prozentig frisch ge-elektroschockt ist – aber zum Glück kann man sich hier drauf verlassen.

“Heute ist Gewinnertag für alle unsere Kunden“, heisst es dann und ich fühle schon, wie dieses warme Gefühl in mir hochsteigt, hier endlich den schönsten Tag meines Lebens zu erleben und mal so richtig abzusahnen. Jetzt hab ich endlich alles richtig gemacht, denn die große Chance steht bevor, als der Moderator plötzlich aufheult: “Was machst du da? Die Kollegin hat falsche Presisschritte eingestellt. Bitte gehen sie sofort rein, wir haben einen falschen Fehler gemacht.“
Wow, jetzt heisst es Inflation pur – und ich werde sogar dazu aufgerufen, den Fehler des Senders auszunutzen. Dann kann man sich nicht mehr auf den Sesseln halten und man muss einfach alles doppelt und dreifach bestellen. 

“Jetzt muss ich alles abverkaufen, um überhaupt Gewinn zu machen. Das geht jetzt nur noch über die Menge“, heisst es dann als Erklärung, die ich nach so viel Gehirnwäsche, zufriedenem Schnäppchenkauf und um mehrere hochqualitative, saugünstige Kilo Baten mit Soße reicher, gerne glauben mag.